Aus WC-Papier wird Gas

Das zurzeit beliebteste Konsumprodukt ist das Klopapier. Es landet schlussendlich auf der Kläranlage.

Noch vor wenigen Wochen sprach kaum jemand davon, heute ist Toilettenpapier dem Anschein nach eines der beliebtesten Konsummittel und dies rund um den Globus.
Täglich benötigt eine Person rund 20 Blätter-Klopapier, dies bedeutet rund ein Kilometer pro Jahr. Die Papiere verschwinden nach Gebrauch in der Toiletten-Schüssel und werden– je nach integrierter Spartaste – mit sechs bis neun Liter Wasser in das Kanalisationssystem gespült – aus den Augen aus dem Sinn. Ist das Wetter nicht zu trocken, fliesst das Klopapier ohne hängen oder kleben zu bleiben reibungslos in Richtung der Kläranlage Thalwil. „Das Papier löst sich im Wasser schnell in kleine Fetzchen auf“, erklärt Betriebsleiter Ralf Steiner. Es besteht aus Zellstoffen von Kiefern, Fichten und Birken. Grössere Papier-Stücklein und andere Feststoffe filtert der Rechen bereits anfangs Kläranlage aus dem Schmutzwasser heraus und werden direkt entsorgt. Kleinere Fetzchen setzen sich im Vorklärbecken ab und werden mittels vollautomatischem Bodenrechen aus dem Wasser entnommen. Bleiben trotzdem Reste des Zellstoffs zurück, laben sich dann die Mikroorganismen daran. Und was geschieht mit dem aus dem Wasser geschöpften, tendenziell zerfetzten oder mikrobiell verdauten WC-Papier? „Der herausgefilterte Feststoff findet Platz in den Faultürmen. Dort produziert eine andere Art von Bakterien Gas, welches mit sogenannten Mikrogasturbinen zu Strom umgewandelt wird“, so der Klärwerksfachmann Steiner.

Die Hamsterkäufe von Toiletten-Papier aber auch die vielen Daheim-Gebliebenen und im Homeoffice Arbeitenden sind auf der Kläranlage spürbar. Die anfallende Wassermenge und die Belastung haben deutlich zugenommen.

Reibungsloser, sicherer Betrieb – trotz Corona

Die Kläranlage muss 365 Tage im Jahr und 24 Stunden pro Tag reibungslos funktionieren –auch in der Coronavirus-Zeit. Grosse Änderungen der Hygiene-Massnahmen während des Arbeitens mussten nicht ergriffen werden. So ist, gemäss Ralf Steiner, die Hygiene für das Team vor Ort immer sehr wichtig. „Natürlich halten wir den zwei Meter-Abstand ein, waschen die Hände noch öfter und empfangen keine externen Personen mehr auf der Kläranlage. Nur bei absoluten betriebsnotwendigen Reparaturen, die wir nicht alleine erledigen können, wird Externen Zutritt gewährt. Privat sind ebenfalls Kontakte ausserhalb der Familie nicht mehr gestattet. Notfalls kann sich das Team auf der ARA in Quarantäne begeben. Wir haben die Notfall-Konzepte der Situation angepasst.“

Das Coronavirus tangiert zurzeit auch die Arbeiten und Planung rund um die zukünftige Kläranlage Zimmerberg nicht. Voraussichtlich ab 2027 soll auf dem Areal der heutigen ARA Thalwil nicht nur das Abwasser von Thalwil, Oberrieden und Rüschlikon gereinigt werden. Sondern auch das Abwasser von Horgen wird nach Thalwil geführt. Das neu eingesetzte Membranverfahren erlaubt eine sehr kompakte Bauweise und erreicht gleichzeitig eine weitergehende Reinigungsleistung: Durch die Filtration im Ultrafiltrationsbereich (bis 0.04 µm) werden künftig u.a. auch Viren aus dem Abwasser entfernt (Grösse Coronavirus 0.12 bis 0.16 µm).. Zudem wird mit einem innovativen Energiekonzept, das Klärgas nicht in Strom und Wärme umgewandelt, sondern es wird auf Erdgasniveau aufbereitet und in das Gasnetz von Thalwil eingespeist. „So kann man im Winter sogar indirekt mit dem WC-Papier heizen“, freut sich Ralf Steiner. Die Betriebskommission der ARA Thalwil hat Ende Februar das Projekt positiv verabschiedet. Aktuell liegt das Projekt den einzelnen Gemeinden vor und am 27. September 2020 soll an der Urne über dieses zukunftsträchtige Projekt abgestimmt werden.

Autorin: Brigitt Hunziker Kempf